Das Thema Digitalisierung ist in aller Munde, sie hat auch die Medizin schon heute nachhaltig verändert. Dabei ist dies erst der Anfang eines dramatischen Wandels, mit dem sich die Qualität von Diagnostik und Therapie deutlich verbessern wird. Das Arztbild wird sich vom früheren Alleinherrscher über das medizinische Wissen verändern zum Koordinator von Diagnostikprozeduren, zum digital unterstützten Therapeuten und zudem zum Gesundheitsmanager, wenn es um Prävention und Früherkennung geht. Ebenso erleben wir tägliche Pressemitteilungen zum Pflegenotstand in Krankenhäusern und in der Versorgung alter Menschen, einerseits erklärbar mit fehlendem Pflegepersonal, andererseits mit einer Überlastung der vorhandenen Kräfte durch diverse, teilweise schon unzumutbare administrative Tätigkeiten, die wiederum auf Basis der Digitalisierung erfolgreich reduziert werden könnten. Und schließlich ist beim Thema Pflegenotstand auch auf die zu hohe Anzahl von Krankenhäusern in Deutschland hinzuweisen.
Diese einführenden Feststellungen leiten direkt in die großen Aufgaben des Gesundheitswesens über, denen wir uns zwingend widmen müssen. Hierzu ist es unverzichtbar, bei den Menschen zu beginnen, sie aufzuklären, ihnen die Furcht vor Neuem, vor Technologie zu nehmen und damit auch einen Wandel im Denken herbeizuführen. Nur so können wir die Möglichkeiten der Digitalisierung in Krankenhäusern, Praxen, Apotheken, Rehabilitationseinheiten, Senioren- und Altenheimen sowie in vielen weiteren Bereichen nutzen. Diese Aufgaben sind immens, stehen doch die meisten Menschen Veränderungen sehr skeptisch gegenüber.
Ein wesentliches Zentrum für diese notwendigen Change-
Prozesse im Gesundheitswesen ist das Krankenhaus, dessen Strukturen sich in den nächsten 15 Jahren erheblich verändern werden, wobei aktuell noch niemand wirklich absehen kann, wie diese Veränderungen aussehen werden. Dabei geht es gar nicht so sehr um bauliche Konstruktionsformen. Investive Mittel werden mehr und mehr in Prozessintelligenz investiert werden.
Aktuell befasst man sich sehr mit Verbesserungen bei sektorüberschreitenden Prozessen, also dem Abbau von Hürden zwischen ambulant und stationär. Die Patienten erwarten einen reibungslosen Wissenstransfer in beide Richtungen. Es gibt belastbare Hinweise darauf, dass Krankenhäuser künftig immer stärker auch Anbieter von Infrastrukturen sein werden. Ebenso darf davon ausgegangen werden, dass wir den Anspruch an eine doppelte Facharztstruktur im ambulanten und im stationären Bereich nicht mehr erfüllen können werden. Hinzu kommen all die genom- und molekularbasierten Daten, die in absehbarer Zeit immer mehr Bedeutung für Diagnostik und Therapie haben werden. Die bildanalytischen Fächer wie Radiologie, Pathologie, Endoskopie usw. bilden über Musteranalysen, die mit künstlicher Intelligenz unterlegt sind, den Rahmen für die vorgenannten Entwicklungen, die ohne Datenspezialisten in der Medizin nicht umgesetzt werden können. Diese neue Berufsgruppe wird zum unverzichtbaren Partner für eine Reihe von Ärztinnen und Ärzten.
Aber natürlich wird es auch bei visionärster Zukunftsbetrachtung weiterhin Krankenhäuser mit Intensivstationen, Intermediate Care-Bereichen und Normalstationen geben, allerdings weniger als gegenwärtig. In Deutschland gibt es über 1900 Krankenhäuser, von denen eine nennenswerte Zahl aus den unterschiedlichsten Gründen geschlossen werden müsste. Natürlich löst eine solche Feststellung eine erhebliche Emotionalität aus.
Es ist doch nur zu menschlich, dass jeder ein oder besser mehrere Krankenhäuser in seiner unmittelbaren Nähe erwartet. Wie viele Kilometer sind den Menschen denn für den Anfahrtsweg zuzumuten, um ein Krankenhaus zu erreichen? Und wer konkret wird erforderliche Krankenhausschließungen vornehmen? Übernehmen dies die Politiker, vielleicht sogar noch in deren eigenem Wahlkreis? Davon dürfte wohl kaum ausgegangen werden, blickt man auf die Entwicklungen der letzten zehn Jahre. Eher wartet man wirtschaftliche Entwicklungen ab, über die Krankenhausschließungen dann schon fast erzwungen werden. Dies wiederum birgt die große Gefahr von gesteigertem Druck auf zu erbringende operative Leistungen, was viele Fragen mit sich bringt.
All diese Aspekte um das Krankenhaus der Zukunft dürfen die eigentliche Zielsetzung dieser Diskussion nicht aus dem Fokus verlieren. Letztendlich geht es um den Menschen im Krankenhaus, um die Patienten, deren Angehörigen und um die Mitarbeiterschaft. Eine intensive Aufklärung zu den mit den digitalen Technologien einhergehenden Veränderungen, aber auch Chancen, sind dringend erforderlich, um aufkommende Ängste frühzeitig abzubauen.
Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen
Letztendlich geht es um die Patienten, deren Angehörigen und um die Mitarbeiterschaft
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