Leben mit Corona

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Seit Beginn der Corona-Krise ordnen wir im Forum Zukunftsmedizin Live gemeinsam mit Spitzenmedizinern aus ganz Deutschland die aktuellen Entwicklungen rund um die Pandemie für Sie ein. Dabei geht es sowohl um übergeordnete Aspekte als auch um die Fortschritte im Kampf gegen das Virus sowie um alltagspraktische Hinweise.

„Hoffnung und Zuversicht“, lautete das Thema der letzten Sendung am 9. April 2020. Der Internist Prof. Dr. Heiner Greten, Chairman des Herz-, Gefäß- und Diabeteszentrums im Asklepios-Klinikum St. Georg in Hamburg, schreibt Medizinern in der aktuellen Situation rund um das Thema COVID-19 eine Lotsenfunktion zu. Es wäre an Ihnen, die Bevölkerung umfänglich, sachlich und gezielt zu informieren. Das Forum Zukunftsmedizin mit seinen Experten verschiedenster Fachrichtungen böte den Zuschauern eine gute Orientierung in einer durch Partikularinteressen geprägten Informationslandschaft. Für die nähere Zukunft avisierte Prof. Greten, der auch Beirat des Forums ist, eine Erweiterung der Expertengruppe um Ökonomen, Statistiker, Psychologen und Ethiker, um den Fragestellungen rund um den vielschichtigen, komplexen und schrittweisen Exit aus dem Lockdown Rechnung zu tragen.

Prof. Dr. Dirk Arnold, Chefarzt der Abteilung für Onkologie mit Sektion Hämatologie an der Asklepios Klinik Altona in Hamburg, berichtete zunächst aus der täglichen Praxis in der von ihm betreuten COVID-19-Station: es ginge ruhig und besonnen zu. Jeder Patient verfüge über ein eigenes Zimmer. Der durchschnittliche Klinikaufenthalt belaufe sich auf zwei bis zehn Tage. Zum Thema Beatmung und ihren möglichen Folgeschäden konnte der Experte Corona-Erkrankte beruhigen, da die modernen maschinellen Beatmungsverfahren optimal auf die Lungenfunktion ausgerichtet seien. Der Kontakt zu Angehörigen würde über Facetime oder Smartphones aufrechterhalten. Hoffnungsvoll schaute Prof. Arnold auf die zukünftige Verfügbarkeit von Antikörpertests in der täglichen Klinikroutine. Bei ihrem Nachweis könnten betroffene Personen wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Dies beträfe nicht nur diagnostizierte Patienten, sondern auch jene Personen, die eine Corona-Erkrankung unbemerkt oder mit nur milden Verläufen durchlebt hätten. Die noch immer in der Entwicklung befindliche Proximity Tracking App sei eine große Chance, berge aber auch Risikopotential im Hinblick auf Datensicherheit. Der Onkologe geht davon aus, dass wir auf dem Weg zurück in ein normales Leben kaum auf diese Form der digitalen Überwachung verzichten könnten. Prof. Arnold schaute positiv in die Zukunft mit Corona, denn wir hätten es geschafft, das apokalyptische Szenario eines überlasteten Gesundheitssystems zu umschiffen. Die Bevölkerung habe sich auf die umfänglichen Beschränkungen im öffentlichen Leben eingelassen. Zudem sei für ihn die aktuelle Solidarität für die Schwächeren in unserer Gesellschaft eine Hoffnung stiftende Entwicklung.

Seit unserer Sendung am Gründonnerstag hat sich nicht nur das Wissen um COVID-19 deutlich erweitert. Es ist auch eine gesellschaftliche Debatte in Gang gekommen, die das Ende des partei- und länderübergreifenden Konsenses markiert, der noch die gemeinsamen Beschlüsse von Bundeskanzlerin und Länderchefs zu Beginn der Pandemie im März getragen hatte. Nicht nur FDP-Chef Christian Lindner stellt die Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen in Frage, aber seine Aussage in der Bundestagsdebatte im Anschluss an Angela Merkels Regierungserklärung zu Corona vom 23. April 2020 markiert den Riss, der mittlerweile durch das Land geht: „Weil die Zweifel gewachsen sind… endet heute auch die große Einmütigkeit in der Frage des Krisenmanagements.“

Anfang April haben 14 Wissenschaftler um den Präsidenten des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Prof. Clemens Fuest, und den UKE-Internisten Prof. Ansgar Lohse „Empfehlungen für eine flexible, risikoadaptierte Strategie“ zur Bekämpfung der Coronavirus Pandemie vorgelegt. Diese nimmt u.a. die wirtschaftlichen Folgen eines längeren Shutdowns in den Fokus und folgert: „Ein funktionierendes Wirtschaftssystem ist Voraussetzung für ein funktionierendes Gesundheitssystem.“ Es folgt ein Plädoyer für sukzessive Lockerungen und gegen einen „seuchenpolizeilichen Imperativ“. Nun haben Bund und Länder am 15. April 2020 gewisse Lockerungen vereinbart: die Öffnung von Geschäften bis 800 qm Verkaufsfläche, von Buchhandlungen, Fahrradläden und Kfz-Händlern. Friseure dürfen ihren Betrieb ab 4. Mai wieder öffnen. Am selben Tag kehren vielerorts weitere Schüler der Abschlussklassen und qualifikationsrelevanten Jahrgänge in Grund-, Allgemein- und Berufsbildenden Schulen wieder zurück.

Aber es ist, als habe man den Geist aus der Flasche gelassen. Schon erleben wir bundesweit einen Flickenteppich aus Geboten, Verboten und Lockerungen im öffentlichen Leben. Spielräume werden plötzlich weit ausgelegt oder überschritten, ein Wettlauf unterschiedlicher Strategien hat begonnen. Diese Entwicklung ließ die Bundeskanzlerin bereits von „Öffnungsdiskussionsorgien“ sprechen, und die sonst eher kühle Regierungschefin schickte im Bundestag eine eindringliche Warnung hinterher: „Wir bewegen uns auf dünnstem Eis, wir sind noch lange nicht über den Berg.“ Die Sorglosigkeit der Menschen, die sich angesichts des Wortes „Lockerung“ in fahrlässiger Sicherheit wiegen, ruft aber auch Virologen auf den Plan. Prof. Christian Drosten von der Charité sieht Deutschland gerade in Gefahr, bisherige Erfolge der Corona-Eindämmung zu verspielen und spricht von einer Situation, die leicht entgleiten könne.



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